مبادئ توجيهية للسوريين والسوريات الذين قدموا إلى ألمانيا هجرةً أو طلباً للجوء

Handreichung für Syrer und Syrerinnen, die als

 

Zuflucht Suchende/Flüchtlinge Deutschland betreten


 

Willkommen!

 

Die Deutsch-Syrische Gesellschaft e. V.* möchte Sie willkommen  heißen, nachdem Sie einen höchst risikoreichen und schwierigen Weg bis hierher gegangen sind. Alle Menschen in Deutschland und in Europa wissen oder erahnen die Umstände, die Nöte und Gefahren, unter denen Sie schließlich den Entschluss fassten, Ihre Heimat  Syrien zu verlassen.

 

Sie fragen jetzt: In was für ein Land sind Sie gekommen? Was ist an Sitten, Gebräuchen und Gesetzeslage anders? Was muss man tun, um sich in diesem zunächst fremden Land einzugliedern, was muss ich vermeiden?

 

  1. Das deutsche „Grundgesetz“, die Gesetzgebung und das „politische Asyl“.

     

    Zunächst ist wichtig zu wissen, dass die „Bundesrepublik Deutschland“ 19949 gegründet wurde, also recht jung ist. Sie gab sich eine freiheitlich-demokratische Staatsverfassung, die das „Grundgesetz“ genannt wird. Nur auf dem Boden dieser Verfassung konnte Deutschland als freiheitliche Demokratie den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach den schlimmsten Zerstörungen in allen deutschen Großstädten im zweiten Weltkrieg und vor allem den politischen Neubeginn nach den desolaten, verheerenden Auswirkungen der vorangegangenen NS-Herrschaft beginnen. Nur mit dieser freiheitlichen, demokratischen Verfassung konnte Deutschland zu einem bis jetzt wirtschaftlich und politisch stabilen Staat in Europa wachsen.

    Das Grundgesetz beginnt deswegen im Artikel 1 mit dem übergreifenden Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“** Konsequenterweise heißt es später auch in Artikel 3 GG*** „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt . . .“ * Auf dieser Grundlage sagt das deutsche Grundgesetz dann auch: „Politische Verfolgte genießen Asylrecht“.Artikel 16 a****, Deswegen also durften Sie die deutsche Grenze ohne Visum überschreiten.

     

    Alle Gesetze (Öffentliches Recht, bürgerliches Recht) haben das „Grundgesetz“ als Rahmen. Änderungen bestehender Gesetze oder neue Gesetze können zwar vom Parlament erlassen werden, müssen aber im Einklang mit den 146 Artikeln des „Grundgesetzes“ stehen.

     

    Eine historische Erläuterung: Im Europa des frühen und späten Mittelalters wurde häufig Recht gesprochen mit Begründungen aus der christlichen Lehre. Das war möglich, weil es keine Gesetzesbücher im  heutigen Sinn gab und weil Päpste und Bischöfe auch viel weltliche Macht hatten.

     

    Es ist eine Errungenschaft von höchstem Wert für die gesellschaftliche Ordnung in Europa, dass in der Neuzeit die  Gesetzgebung ausschließlich in die Hände der demokratisch frei gewählten Parlamente überging. Die Parlamente als Gesetzgeber (Legislative), die Recht sprechenden Gerichte(Judikative)und die ausführende Polizei ( Exekutive) stellen die drei staatstragenden Institutionen dar. Sie sind unabhängig, was nicht in allen Ländern der Fall ist. Das Gewaltmonopol (im Inneren) liegt ausschließlich bei Gerichten und Polizei.

    Ein weiterer fester und entscheidender Bestandteil einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, insbesondere der deutschen Verfassung, ist, dass jede gesellschaftlich Gruppierung wie z. B. Religionsgemeinschaften, Bürgerinitiativen, Wirtschaftsverbände, Berufsgruppen, aber auch Einzelpersonen – unter dem Schutz der freien Meinungsäußerung  -  jederzeit die Möglichkeit und das Recht haben, ein Anliegen (z. B. Gesetzesvorschlag) in den öffentlichen Medien oder über die im Parlament vertretenen politischen Parteien bzw. Parlamentsabgeordneten vorzutragen und zur Abstimmung (Gesetzgebung) zu bringen. Viele Gruppierungen werden vom Parlament schon wegen ihres Sachverstandes regelmäßig zur Beratung herangezogen.

     

  2. Was ist anders? Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich im Alltag?

     

    Im Vergleich mit Deutschland und den europäischen Ländern hat Syrien  völlig andere Voraussetzungen für seine politische Geschichte und Kulturgeschichte. Syriens technische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung war von ganz anderen, sehr unterschiedlichen Einflüssen bestimmt. Sie haben andere Musik, andere kulturelle und gesellschaftliche Traditionen, andere Essgewohnheiten. Sie sind mit klimatischen Verhältnissen aufgewachsen, die den gesellschaftlichen Alltag und den Arbeitsrhythmus anders lenken, als das in nördlicheren Ländern der Fall ist. Und schließlich ist für die meisten von Ihnen von besonderer, vielleicht sogar stärkster Bedeutung, dass Sie mit einer anderen Religion kommen, mit dem Islam.

     

    Es muss allen klar sein, dass Sie aus dem arabischen Kulturkreis kommen und nun. im europäischen, speziell im deutschen Kulturkreis Zuflucht suchen. Sie suchen trotz vieler Unterschiede hier Sicherheit, Eingliederung in die deutsche Gesellschaft und in einen Beruf, Sie suchen hier Existenzsicherung.

     

    Das ist ein anspruchsvolles Ziel.

     

    Dieses Ziel haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Syrer erreicht. Es gibt leichte und hohe Hürden. Hierzu die wichtigsten Stichworte:

     

    Sprache?                            Mit dem Erlernen der deutschen Sprache muss sofort begonnen werden! Rasches Lernen wird besonders anerkannt. Lernunlust weckt nur Verwunderung. Lernen Sie ggf. mit Kindern zusammen. Kinder lernen eine Sprache sehr schnell, sie sollten von den Eltern konsequent und mit Engagement und Überzeugung(!) dabei unterstützt werden. Sonst bleiben Kinder mitsamt den Eltern fremd in der Gesellschaft, bleiben Außenseiter.

     

    Frauen als Vorgesetzte?        Frauen und Männer sind gleichberechtigt nach der deutschen Verfassung und gleichrespektiert in Familie, am Arbeitsplatz, bei Behörden und im Alltag. Also werden ihre Weisungen akzeptiert, wenn sie in entsprechender Position sind. Im Übrigen: Es entspricht (nicht nur in Deutschland) den üblichen Umgangsformen, einer Dame, vor allem einer älteren Dame, mit etwas deutlicher Zuvorkommenheit zu begegnen.

     

    Religion, Ethnien?             Wie bislang in Syrien wird jede Religion respektiert. Religions- oder ethnisch-bedingte Zwistigkeiten sind Privatsache, berühren, bedrängen oder belästigen nicht die Öffentlichkeit.

     

    Gesetzestreue?                Es gilt Gesetzestreue gegenüber Grundgesetz und den durch das Parlament erlassenen Gesetzen -  im Bereich des öffentlichen Rechts (z. B. Strafgesetzbuch) und des zivilen Rechts (Bürgerliches Gesetzbuch, Familienrecht usw.). Religionsgemeinschaften oder andere soziale Kollektive, wie z. B. traditionsintensive Ethnien haben keine gesetzgebende Kompetenz oder Recht ausübende Gewalt. Das sogenannte Gewaltmonopol liegt ausschließlich beim Staat (Gerichte, Polizei). Die Konsequenz ist, dass jeder Muslim, der glaubensbedingt oder traditionell an die Beachtung und Befolgung der Scharia und ihren Auslegungen gewöhnt ist,  hier in Europa, in Deutschland von jedem Bezug zu dieser Rechtsprechung des arabisch-muslimischen Kulturkreises Abstand nehmen muss.

     

  3.  Individuelle Freiräume: a) vom Staat geschützt,

                                                           b) vom Einzelnen verantwortet.

     

    Zum deutschen, zum europäischen, zum „westlichen“ Kulturkreis gehört die Pflege der „offenen“ Gesellschaft.  Mit diesem Begriff ist der vom freiheitlich-demokratischen Staat aufgezeigte und geschützte Freiraum des einzelnen Bürgers gemeint. Es handelt sich um eine lange Reihe von ideellen und praktischen Werten, nämlich zum Beispiel:

     

    Meinungsfreiheit,

         Gleichstellung aller vor dem Gesetz,

               freie und gleiche, geheime Wahl,

                       freie Glaubensausrichtung,

                        Schutz von Ehe und Familie,

                            freie Wahl der politischen Ausrichtung,                                                                      Freizügigkeit,

                                               informationelle Selbstbestimmung,

                                                       freie Berufswahl,

                                                        Schulbildung,

                                                                   Recht auf Eigentum,

                                                                        individuelle Lebensform.

    Die wichtigsten Grundrechte eines jeden Bürgers sind in den Artikeln 1 bis 20 des deutschen Grundgesetzes im Detail  beschrieben und festgelegt.

     

    Für viele Menschen auf der Welt ist solch eine Staatsverfassung ein Traum.

     

    Indem der Staat dem Einzelnen die Wahrnehmung, d. h. die Nutzung der oben aufgereihten Vorteile der „westlichen“ bzw. „offenen“ Gesellschaft anbietet, gelangt der einzelne Bürger seinerseits nun in die Verantwortung, diesen Freiraum mit eigener Anstrengung zur eigenen persönlichen Entfaltung auszufüllen: Hierzu gehört, dass er sich in die Gesellschaft, deren Mitglied er geworden ist oder werden will, einbringt, also sie auch durch eigene berufliche Leistung zu stärken bereit ist. Auch aufmerksame, kritische Beobachtung gehört zur Teilnahme. Sodann wäre die Bereitschaft, für diese Gemeinschaft ein Zugehörigkeitsgefühl zu  entwickeln, zumindest ein Einverständnis mit den dargestellten und hier gelebten Werten, gehört hierher.

     

    Weiterhin gehört in die Verantwortung des Einzelnen, dass er sich seinerseits gesellschaftlich „offen“ verhält, also keine abgeschotteten ethnisch oder religiös dominierten Parallelgesellschaften bildet. So sinnvoll es sein mag, heimatlich Vertrautes in gewissem Umfang um sich herum zu erhalten, so würde ein übermäßiger Rückzug auf  syrisch-arabische Lebensweise ein erhebliches Hindernis für eine Eingliederung sein. Kulturelle und soziale Isolierung könnte die Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft gefährden und wäre eine falsche, ja kontraproduktive Auslegung dessen, was „Asyl“ und der Grundwert der „individuellen Freiheit“ im deutschen Grundgesetz bedeutet.

     

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    Wer den mutigen Entschluss gefasst hat, auf den schwierigen, kritischen Weg nach Europa, nach Deutschland zu gehen, der besitzt, so wird man sehen können, auch genügend Aufgeschlossenheit, Kraft und Ausdauer, um die Eingliederung in die andere Gesellschaft glücklich zu erreichen.

     

    Wir sind überzeugt, dass Ihnen die Umstellungen gut gelingen werden und wünschen Ihnen, dass Sie Ihre Ziele rasch erreichen werden.

     

    Es grüßen Sie

     

    Vorstand und Mitgliedschaft der Deutsch-Syrischen Gesellschaft e. V.

    Website: www.deutschsyrischegesellschaft.de

    Präsident: Prof. Dr. ing. habil. Armin Rieser (verstorben)

     

     

    Korrespondenzadresse:

                    Dr. Salem El Hamid

                    Geschäftsführer der DSG

                    Tel.        +49-2261-171566                                                                                                                            elhamid@deutschsyrischegesellschaft.de

     

     

    **     Artikel 1.1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

    ***  Artikel 3  1,3GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt  .   ..  . Niemand darf  wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Herkunft,  seines Glaubens und seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.

    ****Artikel 16 a GG: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ 

     

    *    Die Deutsch-Syrische Gesellschaft e. V. wurde 1994 gegründet mit den Zielen           

    -  die Völkerverständigung zwischen Syrern  und Deutschen zu  pflegen                                               

    -  die Bürger beider Länder objektiv und fundiert über beiderseits interessierende Sachverhalte zu informieren,                                                                                                             

    -  die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu fördern und zu intensivieren und                                                                                                                                                    

    -  sich für ein gleichberechtigtes und humanes  Zusammenleben aller Bewohner dieser Länder  und gegen jede Form von Rassismus, Intoleranz und  Ausländerfeindlichkeit einzusetzen.